Transformation

„Es ist der Mensch, der den Unterschied macht”

Franz Bürgi, CIO von Tamedia, dem größten Schweizer Redaktionsnetzwerk, navigiert mit Technologie durch den Wandel – immer mit den Menschen im Blick.

Vom Slack-Team6. Februar 2023Illustration von Christine Oymann

Viel innere Energie, viel Herzblut – das sind zwei Dinge, die nicht alle Menschen sofort mit Technologie in Verbindung bringen. Ganz anders ist das bei Franz Bürgi. Für den CIO von Tamedia ist es ganz normal, auf diese Weise seine Aufgaben anzugehen. Oder besser: Seine Herausforderungen. Denn das größte Schweizer Redaktionsnetzwerk agiert, wie alle anderen in der Branche, in einer Zeit des Umbruchs. Nicht nur, dass neue Wettbewerber wie Instagram, TikTok und Facebook mit ihren Klicks, Likes und Videosnippets um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen. Auch diejenigen, die News konsumieren und online Zeitung lesen, wollen für diese Inhalte oft nicht bezahlen. Und die gedruckte Zeitung? Die liegt vielfach auf den Frühstückstischen einer Generation, die es irgendwann nicht mehr gibt. Ein Geschäftsmodell unter Druck, in dem Geschwindigkeit und Effizienz immer essenzieller werden. Klingt dramatisch. Das muss es aber nicht sein, jedenfalls nicht, wenn man, wie Bürgi und sein Team, Technologie einsetzt, um sich nicht nur für die Zukunft aufzustellen, sondern sie zu gestalten.

„Die Kosten müssen laufend weiter gesenkt werden, und das ist durch Technologie möglich“

Technologie schafft Effizienz

 Das beginnt bereits bei den Inhalten: „Automatisierung spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Informationsbeschaffung, der Erstellung von Inhalten, aber auch beim Ausspielen“, sagt Bürgi. Das zahlt sich am Ende auch budgetseitig aus, denn: „Die Kosten müssen laufend weiter gesenkt werden, und das ist durch Technologie möglich“, wie der CIO erklärt. Gefragt ist hier Effizienz, schließlich treibt das Internet mit seinem Zeit- und Aktualitätsdruck die Medienmacher auch ein bisschen vor sich her. Trotz enger Zeitbudgets muss sichergestellt sein, dass die journalistische Qualität der Produkte darunter nicht leidet. Sportergebnisse aus den unteren Ligen beispielsweise, die Redaktionsmitglieder manuell mühsam und aufwendig sammeln müssen, lassen sich auch automatisiert zusammenstellen. Ebenso klappt das beim Mantelkonzept. Bei Tamedia werden bestimmte Inhalte für alle Publikationen erstellt und dann hochautomatisiert in die Publikationen eingespielt. Journalistinnen und Journalisten haben so die Zeit, die sie brauchen, um tief zu recherchieren, aufzudecken und einzuordnen. Denn das ist das eigentliche Alleinstellungsmerkmal von Qualitätsjournalismus.

Vorreiter beeinflussen das gesamte Mindset

 Doch wie gelingt es, solche neuen, technologiegetriebenen Prozesse in einem Traditionsunternehmen zu etablieren, dessen Ursprünge ins 19. Jahrhundert zurückreichen? Hier lohnt sich ein differenzierter Blick: „Da gibt es zum einen die Firma als Ganzes, entscheidend ist die Bereitschaft der Mitarbeitenden, die Transformation des Unternehmens mitzugestalten. Und dann gibt es Einzelbereiche, bei denen bestimmte Abläufe durch technologische Neuerungen verändert werden“, erklärt Bürgi. Entscheidend waren bei Tamedia digitale Keimzellen, in denen Technologie lebt und die dieses Mindset ins übrige Unternehmen tragen. „Schon sehr früh haben wir in digitale Unternehmen investiert, sie in den Konzern integriert und eine digitale DNA aufgebaut“, berichtet Bürgi. Und ergänzt: „Die digitalen Keimzellen haben das Gesamtsystem und das Mindset des gesamten Unternehmens beeinflusst.“

“Wir haben sehr früh in digitale Unternehmen investiert und eine digitale DNA aufgebaut“

Auch unter Druck reibungslos intern kommunizieren

Digitale Tools wie Slack kamen in Form einer Bottom-up-Bewegung über diese Keimzellen ins Haus. Als Best Practice hat die Kollaborationsplattform ihren Weg in die Organisation gefunden und wurde schließlich konzernweit eingeführt. „Das News-Geschäft ist ständigem Aktualitätsdruck unterworfen und daher nicht immer planbar.Es muss rund um die Uhr funktionieren. Dafür braucht es eine solide technische Basis, um auch mit Peaks umzugehen und optimal intern zu kommunizieren“, sagt Franz Bürgi. Hinzu kommt, dass es heutzutage weder selbstverständlich ist, dass News konsumiert werden, noch, dass dafür bezahlt wird. Diese besondere Dynamik und Unberechenbarkeit kennzeichnen laut Bürgi das Mediengeschäft in besonderem Maße – und erfordern die Lösung entscheidender Fragen: Wie sieht das Medienhausgeschäft nach dem erfolgreichen digitalen Wandel aus? Wie lassen sich News monetarisieren? Wie lassen sich Menschen so präzise ansprechen, dass sie bereit sind, für journalistische Inhalte zu bezahlen? Das sind Fragen, mit denen sich Bürgi und seine Kolleginnen und Kollegen beschäftigen. „Dafür gibt es keine Patentlösung, sonst hätte man sie schon lange realisiert“, sagt er. Aber: Technologie leistet an dieser Stelle laut dem CIO einen wichtigen Beitrag. Beispielsweise, indem das Medienunternehmen für die personalisierte Ansprache Daten heranzieht. „Wir brauchen Technologie, damit wir mit diesen Herausforderungen umgehen können“, erklärt er.

 

„In diesen Bereichen braucht es diese Product- und Engineering-Kultur – die Leute wollen das leben, wollen das fühlen“

Innovation treibt das Unternehmen auch in der Innenperspektive an. So hat Tamedia bereits 2017/2018 die gesamte Systemlandschaft in die Cloud verlagert und schon sehr früh das geschaffen, wofür andere erst eine Pandemie brauchten: Die Möglichkeit, von überall aus zu arbeiten. Heute lebt Tamedia ein hybrides Arbeitsmodell, bei dem die Anwesenheit im Unternehmen oder Home Office je nach Rolle der Mitarbeitenden ausgestaltet wird. Diese Flexibilität ist aus Bürgis Perspektive zwingend im Ringen um die besten Talente. Der Arbeitsort ist aber nur ein Aspekt, ebenso wie das Thema Gehalt. Beides alleine reicht Bürgis Erfahrung nach nicht aus, um die Besten anzulocken. „Gerade im Technologiebereich braucht es eine starke Identifikation mit den Zielen des Unternehmens. Zudem wollen die Leute die Product- und Engineering-Kultur leben und fühlen“, beschreibt er seine Erfahrungen. Gleiches gilt für die Ausstattung mit Arbeitstechnik. Hier gilt es, möglichst freie Hand zu lassen und gegebenenfalls Wünschen entgegenzukommen. Nicht zu unterschätzen seien aber am Ende trotzdem die Emotion und das Herzblut, für die die Medienbranche auch heute noch steht und Menschen anzieht.

Drei Dinge zum Durchdenken

Nun sehen sich auch andere Medienunternehmen oder branchenfremde Firmen mit ganz ähnlichen Herausforderungen wie Franz Bürgi konfrontiert. Deshalb lässt er gerne hinter die Kulissen blicken und hält drei Tipps bereit, wie sich digitaler Wandel meistern lässt. Zum einen hat er gelernt, dass man sich nie überschätzen soll – es kämen immer neue Herausforderungen auf einen zu. Sein zweiter Rat bewegt sich im Umfeld Technologie: „Wichtig ist, dass man Technologie als Enabler, nicht als Kostenfaktor betrachtet. Denn wenn man heute weiterkommen will, geht das nicht ohne Technologie“, sagt Bürgi. Und das Dritte ist: „It’s all about people and mindset: Es ist der Mensch, der den Unterschied macht, nicht alleine die Technologie, das sollte man nie vergessen“, sagt er abschließend.

 

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