Zusammenarbeit

Der Entscheidungsprozess ist ein Teamsport

Die Kunst (und Wissenschaft), als Gruppe gute Entscheidungen zu treffen

Autor: Michelle Cyca20. Februar 2019Illustration von Giacomo Bagnara

Manchmal fühlt sich der Entscheidungsprozess wie ein magischer, mystischer Prozess an, tatsächlich ist er aber eine Wissenschaft. Wenn dein eigenes Projekt-Team mit der Entscheidungsfindung zu kämpfen hat, tröste dich damit, dass du damit nicht allein bist. Das Beratungsunternehmen McKinsey hat festgestellt, dass 72 % der Führungskräfte der Meinung sind, dass ihre Unternehmen öfter oder genauso oft schlechte Entscheidungen treffen wie gute. Schlechte oder späte Entscheidungen sind auch mit erheblichen Kosten verbunden, nicht nur durch entgangene Gewinne, sondern auch weil durch sie Zeit, Talente und Ressourcen verschwendet werden.

Psychologinnen und Psychologen sowie Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler untersuchen schon seit Langem die zahlreichen Hindernisse, die hinter jedem Entscheidungsprozess stehen, und haben Strategien entwickelt, wie sie sich aus dem Weg räumen lassen. Wenn du versuchst, deinem Projekt-Team dabei zu helfen, gemeinsam bessere Entscheidungen zu treffen, solltest du diese Ideen vielleicht einmal ausprobieren.  

Schaffe die richtigen Bedingungen für den Entscheidungsprozess

Viele Meetings zur Entscheidungsfindung sind von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Unklare Rollen, fehlende Informationen und ein genereller Mangel an Team-Alignment können den Entscheidungsprozess und die Entscheidungsfindung erschweren. Glücklicherweise kannst du deine Teammitglieder durch die entsprechende Vorbereitung ganz einfach bei der Entscheidungsfindung unterstützen.

Bezieh die richtigen Personen mit ein. Wenn sich deine Entscheidungsträgerinnen und -träger im Hinblick auf Rolle, Erfahrenheit oder Sichtweise zu ähnlich sind, erschwert das die Entscheidungsfindung. Bunt gemischte Gruppen treffen Entscheidungen auf effizientere Weise, weil sie verschiedene Ansichten ins Spiel bringen. In vielen Unternehmen kommt es zu einer Art „Integrationslücke”, bei der Projekt-Teams, die Entscheidungen treffen, homogener sind als das gesamte Unternehmen.

Definiere Entscheidungsfindung als klares Ziel. Aaron De Smet, Senior Partner bei McKinsey, unterscheidet zwischen Meetings zum Informationsaustausch und Entscheidungs-Meetings. Unternehmen haben häufig die Absicht, Entscheidungs-Meetings abzuhalten, doch dann wird die Gruppe durch den reinen Informationsaustausch abgelenkt: zu viele Fragen, Diskussionen und Erläuterungen.

Damit die Entscheidungsfindung beschleunigt wird, stelle im Voraus wichtige Informationen zur Verfügung und bitte alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Ideen und Lösungsvorschläge vorzubereiten.

Lasse Jobtitel außen vor. Damit alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ideen und Meinungen frei äußern können, ist es wichtig, alle unabhängig von ihrer Rolle oder Erfahrung gleichzustellen. Das erreichst du, indem du einige Grundregeln für die Diskussion festlegst, beispielsweise die folgenden:

  • Alle Teammitglieder erhalten die Chance, eine Idee zu teilen, bevor alle Ideen besprochen werden.
  • Mitglieder in Führungspositionen sprechen zuletzt, damit sie die Diskussion nicht dominieren oder andere beeinflussen.
  • Besprochen werden Ideen und nicht die Qualifikation oder Erfahrung jeder einzelnen Person.
  • Höre aktiv zu und unterbrich niemanden.

Wie ihr als Projekt-Team gute Entscheidungen trefft

Jede Entscheidung ist anders und es gibt nicht die eine perfekte Formel für eine Diskussion. Aber in fast jeder Situation können diese Schritte dir helfen, eine Einigung für die weitere Vorgehensweise zu erreichen.

Definiere das Problem, nicht die Lösung

Die Art und Weise, wie du ein Problem eingrenzt, hat Auswirkungen darauf, wie andere über Ideen zu dessen Lösung nachdenken. Wenn die Eingrenzung zu eng ist („Sollten wir unsere Umfrage zur Kundenzufriedenheit ändern?“), schränkst du die Diskussion ein, bevor diese überhaupt begonnen hat. Paul Nutt, Professor an der Ohio State University, hat herausgefunden, dass 70 % der Führungsteams nur eine Alternative in Betracht ziehen, obwohl sich die Qualität von Entscheidungen durch zwei zur Auswahl stehende Optionen drastisch verbessert.

Du solltest also stattdessen lieber die Herausforderung klar definieren, aber die möglichen Lösungen offen lassen („Wie können wir die Bedürfnisse unserer Kunden besser verstehen?“), damit du das Projekt-Team nicht auf eine vorgefertigte Lösung lenkst.

Fördere kritisches Denken

Wir tendieren alle dazu, der breiten Masse zu folgen, was häufig zu einer verfälschten Entscheidungsfindung führt. Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler haben herausgefunden, dass die erste Person, die spricht (oder die erste Idee, die Unterstützung erhält), einen starken Einfluss auf Gruppenentscheidungen hat, da Menschen dazu neigen, einander zuzustimmen. Mit anderen Worten: Eventuell wird die erste Lösung ausgewählt, obwohl diese nicht die beste ist.

Ermutige die Gruppenmitglieder daher dazu, offen und ehrlich zu sein und sich auch auf respektvolle Art und Weise zu widersprechen. Teamleiter und -leiterinnen sollten dieses Verhalten vorleben, indem sie Sondierungsfragen wie „Warum denkst du das?“ oder „Hast du Belege zur Unterstützung deiner Meinung oder Hypothese?“ stellen.

Erwarte Uneinigkeit und gehe professionell mit ihr um

Als Larry Page 2011 wieder die Rolle des CEO bei Google übernommen hat, war eine seiner ersten Prioritäten der Wechsel von der Konsenskultur hin zu einem flexiblen Entscheidungsfindungsprozess. In einer unternehmensweiten E-Mail hat er folgendes angekündigt: „In jedem Meeting muss es einen klaren Entscheidungsträger oder eine klare Entscheidungsträgerin geben. Ist das nicht der Fall, oder wenn es keine zu treffende Entscheidung gibt, sollte das Meeting gar nicht erst stattfinden.”

Warum? Weil Konsens naturgemäß langsam ist. Wenn Entscheidungen zu langsam getroffen werden, reduziert das das Risiko, eine schlechte Entscheidung zu treffen, aber gleichzeitig entgehen dir dadurch auch Chancen. Aus diesem Grund raten Felipe A. Csaszar und Alfredo Enrione, Experten im Bereich Unternehmensstrategie, die Auswirkungen eines Auslassungsfehlers (Verpassen einer Chance) gegen einen Handlungsfehler (Treffen einer schlechten Entscheidung, die wirklich negative Folgen für das Unternehmen hat) abzuwägen.

Sie empfehlen, dass Projekt-Teams nur dann Konsens anstreben sollten, wenn der mögliche Schaden einer schlechten Entscheidung deutlich größer ist als die Kosten einer verpassten Chance. Nachdem Google aufgehört hatte, Konsens anzustreben, konnte das Unternehmen mehr Handlungsmöglichkeiten nutzen und in nur 90 Tagen mehr als 100 Google+-Funktionen umsetzen.

Auch wenn Entscheidungsträgerinnen und -träger das letzte Wort haben, müssen sie die Bedenken und Ideen von andersdenkenden Teammitgliedern berücksichtigen. Mit einer Checkliste für den Entscheidungsprozess kann der Gruppenleiter oder die Gruppenleiterin sicherstellen, dass er alle relevanten Risiken und Ansichten einbezieht, und Mitgliedern transparente Informationen zur Entscheidungsfindung bereitstellen – etwas, das viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr schätzen.

Setze realistische Fristen

Oft ist es nicht die Entscheidung deines Projekt-Teams, die zum Scheitern führt, sondern es sind die Probleme, die entstehen, wenn du versuchst, darauf zu reagieren. Nichts ist so demotivierend wie die Erkenntnis, dass dein Projekt-Team die für die Umsetzung eines Projekts erforderliche Zeit und die entsprechenden Ressourcen deutlich unterschätzt hat.

Bei vielen Projekt-Teams kommt es zu einer Art Tunnelblick und sie schmieden unrealistische Pläne, in denen unvorhergesehene, aber unvermeidbare Verzögerungen nicht berücksichtigt werden. Das Aufstellen von Zeitplänen ist wichtig, um den Entscheidungsprozess voranzutreiben, aber wenn diese zu optimistisch sind, werden Gruppen entmutigt, wenn Prozesse länger dauern als erwartet.

Stelle sicher, dass du erreichbare Ziele setzt, um dieses Szenario zu vermeiden. Verwende als Grundlage für deine Annahmen die Dauer von ähnlichen Projekten, anstatt dich auf Schätzungen zu verlassen. Wenn du keine Vergleichsprojekte finden kannst, sollte dein Projekt-Team mindestens zwei Schätzungen aufstellen: eine für das Best-Case-Szenario und eine für das Worst-Case-Szenario, bei dem alles aufgelistet wird, was schief laufen könnte. Die Realität sollte irgendwo in der Mitte liegen.

Alle Beteiligten sollten außerdem klar kommunizieren, was sie brauchen, um die entsprechenden Fristen einhalten zu können. Sorge dafür, dass eine Person für die Dokumentation von Aufgaben und Maßnahmen und für die Weitergabe an das restliche Team verantwortlich ist.

Verschwende keine Zeit für kleine Entscheidungen

Nicht jede Entscheidung erfordert eine derart gründliche Prüfung. Laut dem Parkinsonschen Gesetz der Trivialität verbringen Unternehmen unverhältnismäßig viel Zeit mit unwichtigen Entscheidungen, anstatt sich auf die wichtigen zu konzentrieren. Durch eine klare Abgrenzung von diskussionswürdigen und schnell zu treffenden Entscheidungen lassen sich wertvolle Zeit und Ressourcen einsparen.

Amazon CEO Jeff Bezos erreicht dies durch die Einteilung aller Entscheidungen in zwei Kategorien: Entscheidungen des Typs 1 sind dauerhaft, während Entscheidungen des Typs 2 wieder rückgängig gemacht werden können. Bezos gibt an, dass Entscheidungen des Typs 2 so schnell wie möglich getroffen werden sollten, da das Projekt-Team selbst im Falle eines Scheiterns etwas aus ihnen für zukünftige Entscheidungen lernen kann.

Tools für den Entscheidungsprozess in der Gruppe

Durch die Verwendung eines Rahmenwerks oder Modells für den Entscheidungsprozess kann dein Projekt-Team fundierte, umsetzbare Entscheidung treffen und dabei einige häufige Hindernisse umgehen.

Lasst Vorurteile und Vermutungen hinter euch

Das Modell der Leiter der Schlussfolgerungen regt alle Teammitglieder dazu an, ihre Überzeugungen und ihre Argumentation in Frage zu stellen, und lässt keinen Spielraum für fehlerhafte Argumentationsweisen oder unvollständige Daten. Es ist hilfreich für Projekt-Teams, die mehrere Möglichkeiten und Lösungen für ein Problem erörtern möchten, ohne dass Unterhaltungen an Produktivität und Fokus verlieren.

Führt gemeinsame Diskussionen

Die nominale Gruppentechnik fördert die gleichberechtigte Teilhabe und das kritische Denken, indem von allen Teammitgliedern verlangt wird, eine Idee oder einen Lösungsvorschlag aufzuschreiben. Dann werden alle Ideen der Gruppe vorgestellt, diskutiert und per Stimme bewertet. Das kann hilfreich sein, wenn es in der Gruppe eine ungleiche Machtdynamik gibt, etwa wenn ein Mitglied mehr spricht als andere oder wenn Nachwuchskräfte zögern, sich zu äußern.

Verteilt Verantwortlichkeiten

Mit dem von Bain & Company entwickelten RAPID-Modell können Projekt-Teams festlegen, wer die Verantwortung über verschiedene Teile des Entscheidungsprozesses übernehmen soll, und stockende Projekte antreiben. Team-Mitglieder werden in fünf Rollen unterteilt:

  • Recommend (Empfehlen)
  • Agree (Zustimmen)
  • Perform (Ausführen)
  • Input (Input geben)
  • Decide (Entscheiden)

Setzt Diskussionen in konkrete Maßnahmen um

Die Matrix für die Zuordnung von Verantwortlichkeiten (RACI) treibt Projekte durch ihre Aufteilung in Aufgaben voran. Allen Beteiligten wird dabei eine von vier Rollen für jede Aufgabe zugeordnet:

  • Responsible (Verantwortlich)
  • Accountable (Rechenschaftspflichtig)
  • Consulted (Beratend)
  • Informed (Informierend)

Alle Zuordnungen werden in der Matrix dokumentiert. Die einzelnen Teammitglieder werden dabei oben im Diagramm und alle Aufgaben entlang der linken Seite aufgeführt. Die Zellen werden ausgefüllt, wenn Teammitgliedern Rollen zugeordnet werden. Dieses visuelle Diagramm verdeutlicht, wer wofür verantwortlich ist, und Projekt-Teams können außerdem erkennen, dass die Arbeitsbelastung gleichmäßig verteilt ist.

Mit ein wenig Planung, einem Grundverständnis von Gruppendynamik und einem Instinkt dafür, welche Entscheidungen ausschlaggebend sein können und an welchen einfach nur ein bisschen gefeilt werden muss, kann dein Projekt-Team fundierte Gruppenentscheidungen treffen und diese selbstbewusst ausführen.

Denke nur daran, dass gute Entscheidungen oft das Ergebnis einer gesunden Teamkultur sind. Eine, bei der höfliche Diskussionen ermutigt, neue Ideen willkommen geheißen und die Kommunikationskanäle immer offen sind.

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