Telefon, E-Mail und Handschlag: In einer Welt, in der Geschäfte oft klassisch zustande kommen, hat es ein CTO, der einen E-Commerce-Marktplatz aufbaut, oft nicht leicht. John Bettiol, CTO des Online B2B-Marktplatzes für Gastronomie und Hotellerie, METRO Markets, kennt diese Situation gut. Er unternimmt alles, damit der Weg ins Netz gelingt. Sein Geheimrezept: smarte Kompromisse, und zwar sowohl auf menschlicher wie auch auf technologischer Ebene. Das und vielleicht auch sein entspanntes und humorvolles Gemüt haben METRO Markets zum größten europäischen Non-Food Online-Marktplatz der HoReCa-Branche (Hotels, Restaurants und Caterer) gemacht. Das Unternehmen ist eine hundertprozentige Tochter der METRO AG. 2019 startete der Marktplatz in Deutschland. Heute ist er auch in Frankreich, Spanien, Italien, Portugal und den Niederlanden verfügbar.
Als Schnellboot den Dampfer navigieren
Was in der Geschichte „Traditionskonzern baut intern ein Digital-Startup auf“ gerne mit der Analogie von Dampfer und Schnellboot umschrieben wird, trifft auch auf METRO Markets zu – jedenfalls in der Startphase des Unternehmens. Zu diesem Zeitpunkt agierte es als eigenständiges Digitallabor mit weitgehend unabhängiger Entscheidungsbefugnis. Ziel war es, aufgeschlossen und offen Dinge zu testen und dann zu sehen, was sich ins METRO Universum übertragen lässt. „Die Art und Weise, wie wir mit unserem Mutterunternehmen zusammenarbeiten, ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie es gelingen kann, in kurzer Zeit große Dinge zu erreichen“, sagt John Bettiol.
Er begeisterte sich schon immer für Softwareentwicklung und Startups. Er kam in das Unternehmen, um sich mit Technologie und Entwicklung zu befassen. Trotzdem ist seine Management-Funktion für ihn genau die Richtige. „Ich fand ein Vakuum, in dem ich helfen konnte, Dinge voranzutreiben, Brücken zu bauen und mit anderen zusammenzuarbeiten.“
Als Kapitän des Schnellbootes hatte Bettiol es mit einer Crew zu tun, die an unterschiedlichen Orten arbeitete. Schon zu diesem Zeitpunkt galt es schnell zu kommunizieren und Herausforderungen unkompliziert sowie schnell zu besprechen, um erste Ergebnisse zeigen zu können. Für seine Kolleg:innen war und ist das Tool der Wahl dafür Slack.
„Meinen Entwickler:innen war erst nicht klar, dass manche unserer Kund:innen Technologien wie die Nutzung von API vielleicht gar nicht kennen“
Vermitteln, Kompromisse schließen, zusammenarbeiten
Wenn Tochter- und Mutterunternehmen sehr unterschiedliche Arbeitsweisen nutzen und auch ganz verschieden kommunizieren, empfiehlt es sich im ersten Schritt, nicht sofort alles von links auf rechts zu drehen. „Meinen Entwickler:innen war erst nicht klar, dass manche unserer Kund:innen die Nutzung von Technologien wie API vielleicht gar nicht kennen“, skizziert Bettiol die unterschiedlichen Welten, in denen die beiden Einheiten damals unterwegs waren. Deshalb entschied er sich, zunächst die Technologien zu verwenden, die seine Kund:innen und Lieferant:innen nutzen – als Kompromiss und um niemanden zu überfrachten. Im Laufe der Zeit veränderte sich mit der Unterstützung von METRO Markets auch das. Heute gibt es zum Beispiel Automatisierungsfunktionen in der telefonischen Kundenbetreuung und in weiter entwickelten Märkten kommen Chatbots zum Einsatz.
„Persönliche, menschliche Beziehungen sind Teil des Wertekanons von METRO“
Dass die Annäherung zwischen diesen verschiedenen Kulturen und Arbeitsweisen klappt, ist wiederum das Ergebnis des aufeinander Zugehens. Obwohl Bettiol selbst in der digitalen Kommunikation zuhause ist, heißt das nicht, dass er andere Wege nicht ebenso wertschätzt. Wenn er sich an die Anfänge erinnert, als seine Crew und er die Kolleg:innen aus dem Mutterkonzern davon überzeugten, die Branche zu transformieren, haben sie diese Gespräche persönlich geführt. Das war auch der einzig richtige Weg, denn: „Persönliche, menschliche Beziehungen sind Teil des Wertekanons von METRO“, erklärt der CTO. Automatisierung stellt dazu heute keinen Widerspruch dar: Solange es sich innerhalb des festgelegten Rahmens bewegt, dürfen die Mitarbeitenden damit experimentieren. Denn: Wenn Menschen dadurch von sich wiederholenden Aufgaben befreit werden, sieht Bettiol das positiv.
„Als wir gestartet sind, war Slack die eine Sache, die nicht verhandelbar war“
Nichtsdestotrotz – oder gerade deswegen – hat sich Slack mit der Zeit auch unternehmensweit den Ruf als Tool zur Inspiration und Lösung von Problemen erarbeitet. „Als wir gestartet sind, war Slack die eine Sache, die nicht verhandelbar war“, sagt Bettiol. Das Tool ist bei METRO Markets der Ort, wo Themen münden, wenn sie eskalieren. Es ist aber auch der Ort, an dem gemeinsam an Lösungen für Herausforderungen gearbeitet und überlegt wird, mit welchen Tools es weitergeht. Über Integrationen kommunizieren Mitarbeitende von METRO Markets direkt mit den Kund:innen, selbst wenn diese Slack nicht nutzen. Auch wenn die Planungszyklen der Digitaleinheit kürzer sind als die des Mutterkonzerns, akzeptiert und respektiert Bettiol diese Unterschiede: „Es hat gute Gründe, dass ein Unternehmen des Umfangs von METRO, das in einer etablierten Branche mit vielen verschiedenen Ländern, Märkten und Akteur:innen agiert, länger für Veränderungen braucht – da ist das Risiko einfach zu hoch.“ Dennoch gilt: Wenn es schnell gehen muss, weiß er, dass auch das klappt.
Drei Tipps
Kompromisse finden, anderen zuhören und trotzdem für die eigene Sache einstehen, das sind Herausforderungen, die es in vielen Unternehmen gibt. Bettiol rät dazu, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Direkt nach dem Live-Gang des Marktplatzes 2019 begann die Corona-Pandemie, ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um Neues zu beginnen. „Wir haben das nur geschafft, weil wir uns ausgetauscht haben, ehrlich über unsere Themen gesprochen haben und so eine Vertrauensbasis entstand“, berichtet der CTO. Zudem findet er, dass Unternehmen weise wählen sollten, welche Kämpfe sie wirklich ausfechten wollen – sonst verlieren sie am Ende alles. Als drittes plädiert er dafür, sich Fehler zu erlauben, gerade, wenn Mitarbeitende großes Tempo auf die Straße bringen müssen. Wer weiß, dass er Fehler auch offen zugeben darf, leistet unter Druck mehr.