Ablenkung macht Arbeitskräften wahrscheinlich mehr zu schaffen, als sie zugeben wollen. Laut einer Studie von Udemy, einer Online-Lernplattform, geben fast 3 von 4 Arbeitskräften an, sich bei ihrer Arbeit abgelenkt zu fühlen, und 16 % berichten, dass sie sich ständig abgelenkt fühlen.
Obwohl Ablenkung am Arbeitsplatz auf individueller Ebene häufig vorkommt – sei es durch einen gesprächigen Kollegen oder unzählige Benachrichtigungen – beeinträchtigt sie auch die Arbeit von Projekt-Teams. All diese Extraaufgaben – von außerplanmäßigen Meetings bis hin zu E-Mails, die unnötige sofortige Aufmerksamkeit erfordern – lenken uns von unserer eigentlichen Arbeit ab. Ablenkung raubt uns nicht nur Zeit: Eine Studie der Michigan State University hat herausgefunden, dass selbst kurze Unterbrechungen zu einer doppelt so hohen Fehlerquote führen können.
Ist ein Arbeitsplatz ohne Ablenkungen möglich, wenn unser Alltag in Großraumbüros stattfindet und wir von E-Mail-Lawinen geradezu verschüttet werden? Bestsellerautor Nir Eyal meint ja, und zwar in seinem neuesten Buch „Die Kunst, sich nicht ablenken zu lassen: Indistractable - Werden Sie unablenkbar“. Er definiert „unablenkbar“ sein als „seine Zeit so nutzen wie man möchte“.
Wir haben mit Eyal darüber geredet, warum unablenkbar sein die „Fähigkeit des Jahrhunderts“ ist und was seine wichtigsten Erkenntnisse zum Aufbau unablenkbarer Projekt-Teams sind.
1. Unablenkbar zu sein ist eine zentrale Fähigkeit, dank der man im Leben das tun kann, was man möchte
Nir Eyal: Unablenkbar zu sein ist tatsächlich die Fähigkeit des Jahrhunderts. Obwohl Ablenkung kein neues Problem ist, glaube ich, dass man sich heutzutage leichter ablenken kann als je zuvor.
Da Technologie immer allgegenwärtiger und überzeugender wird, wird das zu einem immer größeren Problem werden. Diese Fähigkeit zu erlernen ist sehr wichtig, damit man all das tun kann, was man im Leben erreichen möchte.
2. Ablenkung ist oft kein technisches, sondern ein kulturelles Problem
NE: Technologie an sich wird oft für das Problem verantwortlich gemacht. Dabei liegt es nicht an der Technologie, sondern an der Umgebung. In der falschen Arbeitskultur verstärkt Technologie nur die Ablenkung.
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Technologie und Ablenkung. Es gibt sehr wohl einen Zusammenhang zwischen einer schlechten Arbeitskultur und Ablenkung. Wenn in jedem Meeting die Leute mit dem Laptop und die Führungskräfte mit dem Handy beschäftigt sind, dann wird einiges klar. Das Wichtigste ist ständige Verfügbarkeit.
Wir sind zu Sklavinnen und Sklaven der Dringlichkeit geworden und haben dabei vergessen, was wichtig ist. Daran ist nicht die Technologie schuld, sondern die Kultur.
Wenn dein Chef an einem Freitagabend um 18 Uhr anruft und sagt, „Ich möchte, dass Sie etwas für mich erledigen“, ist dann das Telefon schuld? Nein, dein Chef.
3. Fange bei dir selbst an
NE: Das Beste, was du tun kannst, wenn du dein Unternehmen ändern möchtest, ist, bei dir selbst anzufangen. Dann gehst du mit gutem Beispiel voran. Wenn sich deine Arbeitsleistung verbessert, wenn du glücklicher in deinem Job bist, dann sehen das deine Kolleginnen und Kollegen. Und sie werden natürlich neugierig und wollen wissen, was du anders machst. Der erste Schritt ist also, es selbst zu tun und herauszufinden, welche Techniken für dich funktionieren und welche nicht.
4. Schaffe die Möglichkeit zum Austausch
NE: Im Gegensatz zu einer unternehmensweiten Initiative kannst du, wenn du in einer Team-Umgebung arbeitest, versuchen, folgende Frage besprechen: „Wie können wir dieses Problem beheben?“
Wenn Leute über diese Sachverhalte bedenkenlos reden können, wird Ablenkung zu nur einem von vielen Problemen. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Ort haben, an dem sie über diese Dinge und Verbesserungsmöglichkeiten reden können, wissen sie, dass die Unternehmenskultur diese Art der Kritik willkommen heißt und dass sich das Unternehmen durch Mitarbeiter-Feedback verbessert.
Das kann in einem Slack-Channel geschehen. Oder an einem physischen Ort. Das Wichtigste ist, dass es überhaupt passiert.
Setze dich mit deinem Projekt-Team zusammen und sage: „Passt auf, ich habe das Buch „Indistractable“ gelesen und es auf meinen Alltag angewendet.“ „Mache keine große Veränderung oder Initiative daraus. Nenne es einfach einen Buchclub. Es gibt hinten im Buch eine Frageliste, mit der du eine Unterhaltung mit deinem Projekt-Team beginnen kannst.