zwei Personen, von denen eine in einem Büro und eine von zu Hause aus arbeitet
Transformation

Arbeit neu gestalten: Employee Experience in einer hybriden Arbeitswelt

Das Future Forum hat den Remote Employee Experience Index gelauncht, um Unternehmen bei der Neugestaltung der Arbeit zu unterstützen

Autor: Brian Elliott, VP of Future Forum7. Oktober 2020Illustration von Pete Ryan

Bürogebäude waren schon immer mehr als nur physische Räume – sie sind ein Fundament der industriellen Revolution und entscheidend dafür, wie wir über Arbeit denken. Lange Zeit haben sie bestimmt, wie Arbeit ablaufen sollte.

Zur Arbeit gehen bedeutete, sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen zu geregelten Arbeitszeiten in einem Gebäude einzufinden, in dem jedes Projekt-Team seinen vorgesehenen Platz hatte und die Führungskräfte im obersten Stockwerk saßen. Zusammenarbeit bedeutete ein Whiteboard und Diskussionen, die von den lautesten Stimmen dominiert wurden. Entscheidungsfindung bedeutete, ein Meeting des Führungsteams einzuberufen. Und Unternehmenskultur war gleichbedeutend mit allen guten und schlechten Verhaltensweisen und Normen, die in diesem traditionellen Umfeld auftraten.

Anstatt zu hinterfragen, ob dies wirklich der beste Weg zu arbeiten ist und erfolgreiche Projekt-Teams zu bilden, haben wir uns regelrecht an das Büro geklammert. Wir haben nicht alle Möglichkeiten der Arbeitserfahrung durchdacht, weil wir uns auf das beschränkt haben, was in einem Büro funktioniert – trotz der explosionsartigen Verbreitung von Tools, die eine effektive Zusammenarbeit aus der Ferne für viele möglich und zugänglich gemacht haben.

Die Pandemie bietet uns die einmalige Gelegenheit, die Arbeitswelt neu zu gestalten. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als anders zu arbeiten. Wir müssen neue Organisationsprinzipien festlegen, die eine grundlegende Neugestaltung unserer Arbeitsorte, der Mitarbeitererfahrung und der Prozesse, die wir für einen effizienten Ablauf brauchen, ermöglichen.

Aus diesem Grund hat das Future Forum den Remote Employee Experience Index (Erfahrungsindex von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Home-Office) gelauncht. Dabei handelt es sich um einen vierteljährlich erscheinenden Bericht, der Daten und Analysen für Unternehmen liefert, die sich in dieser neuen Arbeitswelt zurechtfinden müssen.

Die 5 wichtigsten Faktoren der Arbeitserfahrung

Der Remote Employee Experience Index basiert auf den Daten von 4.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiern in den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan und Australien, die überwiegend im Home-Office arbeiten. Es misst fünf Schlüsselfaktoren der Erfahrung von Remote-Workern:

  • Produktivität: die Fähigkeit, Aufgaben effizient zu erledigen, und gleichzeitig eine hohe Arbeitsqualität zu liefern
  • Work-Life-Balance: das Verhältnis zwischen beruflichen und privaten Prioritäten
  • Umgang mit arbeitsbedingtem Stress und Ängsten: die Fähigkeit, am digitalen Arbeitsplatz mit Druck und Sorgen umzugehen
  • Zugehörigkeitsgefühl: Maßstab dafür, ob sich Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter von ihren Teamkolleginnen und -kollegen akzeptiert und geschätzt fühlen
  • Zufriedenheit mit der Arbeitsorganisation: Beurteilung der Infrastruktur und der Unterstützung von Remote-Work

Der Index ermittelt die Auswirkungen von Remote-Work, indem er jeden Faktor auf einer 5-Punkte-Skala bewertet – von „viel besser“ bis „viel schlechter“ als die Arbeit im Büro, wobei der Mittelwert „etwa gleich gut wie die Arbeit im Büro“ ist. Der höchstmögliche Indexwert von +100 würde bedeuten, dass sich alle Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter, die im Home-Office arbeiten, insgesamt in allen Bereichen des Index wesentlich besser fühlen. Ein neutraler Wert von 0 würde keine Nettoveränderung anzeigen, und ein Wert von -100 würde bedeuten, dass sich die Remote-Worker in allen Bereichen viel schlechter fühlen.

Ergebnisse des ersten Index

Der erste Datensatz zeigt, dass Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter im Allgemeinen Remote-Work der Arbeit im Büro vorziehen (+9,2). Die höchsten Zunahmen zeigen sich bei:

  • Work-Life-Balance (+25,7)
  • Zufriedenheit mit der Arbeitsorganisation (+20,1)
  • Umgang mit arbeitsbedingtem Stress und Ängsten (+17,3)
  • Produktivität (+10,7)

Ergebnisse des Erfahrungsindex von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Home-Office
↵Die Daten zeigen, dass die meisten Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter im Home-Office zufriedener arbeiten als im Büro. Sie wollen nicht zur alten Arbeitsweise zurückkehren. Nur 11,6 % geben an, dass sie wieder in Vollzeit im Büro arbeiten möchten, während sich 72,2 % ein gemischtes Arbeitsmodell wünschen.

Die Daten beinhalten auch eine Warnung. Der einzige Faktor, mit dem die meisten Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter weniger zufrieden sind, ist das Zugehörigkeitsgefühl (-5,0). Unternehmen sollten in die Förderung von Beziehungen zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern investieren, da diese Bindungen für das langfristige Wohlergehen von Projekt-Teams von entscheidender Bedeutung sind.

Mythen über Remote-Work beseitigen

Die Indexdaten liefern auf der Gesamtebene zwar nützliche richtungsweisende Informationen. Der wahre Mehrwert erschließt sich jedoch durch tiefergehende Nachforschungen zu den Erfahrungen verschiedener Mitarbeitergruppen, zu ihren Praktiken und zu den Zusatzleistungen, die ihre Unternehmen bieten. Diese tiefgehenden Nachforschungen liefern Erkenntnisse über die komplexen Herausforderungen, vor denen Unternehmen stehen, in denen Remote-Work eine zentrale Rolle spielt.

In vielen Fällen erscheinen die notwendigen Änderungen unlogisch. Dies liegt daran, dass der großflächige Übergang zu Remote-Work die Regeln der Arbeitswelt von Grund auf revolutioniert. Der Versuch, Büronormen einfach in die digitale Welt zu übertragen, hat sich leider als unzureichend erwiesen. Der Index zeigt, dass für die erfolgreiche Neuorientierung eines Unternehmens, das die Herausforderungen von Remote-Work meistern will, mehr als nur schrittweiser Anpassungen nötig sind. Sie erfordert einen umfassenden Wandel und eine radikal neue Denkweise.

Hier sind fünf der größten Mythen über Remote-Work, die der Index widerlegt.

Mythos Nr. 1: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehnen sich nach einem Bürojob mit geregelten Arbeitszeiten.

Realität: Die Normen des klassischen Bürojobs haben lange darauf beharrt, dass Arbeit zu geregelten Bürozeiten stattfindet. Die meisten Unternehmen haben sich dafür entschieden, dieser Logik auch im Home-Office zu folgen. Der Index zeigt jedoch, dass einer der größten positiven Einflussfaktoren für Remote-Work die Möglichkeit ist, sich von geregelten Arbeitszeiten zu verabschieden und stattdessen flexible Arbeitszeiten einzuführen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die die Möglichkeit haben, zeitlich flexibel zu arbeiten, schneiden in jedem Bereich des Index besser ab als alle, die weiterhin während der geregelten Arbeitszeiten arbeiten. Die positiven Auswirkungen auf Faktoren wie die Work-Life-Balance (+23,0) sind nicht überraschend. Noch interessanter ist die Tatsache, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit flexiblen Arbeitszeiten bei der Produktivität fast doppelt so gut abschneiden wie Arbeitnehmer mit geregelten Arbeitszeiten (+13,1 gegenüber +7,1) und auch beim Zugehörigkeitsgefühl deutlich bessere Ergebnisse liefern (-0,2 gegenüber -5,8).

Mythos Nr. 2: Das Alignment der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hängt von regelmäßigen Meetings ab.

Realität: Zeitpläne mit vielen Meetings funktionieren bei Remote-Work nicht. Beispielsweise fühlen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an wöchentlichen Statusmeetings teilnehmen, weniger zugehörig (-2,7) als jene, die asynchron Status-Updates über digitale Kanäle erhalten (+5,8).

Diese neue Form der asynchronen Kommunikation ist darauf angewiesen, dass Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Zugang zu modernen Tools gewähren. Der Index zeigt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen, die neue Technologien frühzeitig einsetzen, ein signifikant höheres „Zugehörigkeitsgefühl“ empfinden: +4,7 gegenüber -8,5 in Unternehmen, die nur langsam neue Technologien einführen.

Ein gewisses Maß an Live-Interaktion ist für den Aufbau und die Aufrechterhaltung von Projekt-Teams nach wie vor wichtig. Der Index zeigt, dass Unternehmen seltener, aber dafür expliziter Möglichkeiten zur sozialen Interaktion einbauen müssen. Folgende Interaktionen haben den größten Einfluss auf das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:

  • Alle zwei Wochen Teamfeiern zur Anerkennung der Leistungen von Teammitgliedern oder Erfolgen (+9,9)
  • Einmal pro Monat Aktivitäten zum Teambuilding (+9,7)
  • Einmal pro Monat Spiele oder freie soziale Gruppenaktivitäten (+8,1)

Mythos Nr. 3: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kindern stehen alle vor der gleichen Herausforderung

Realität: Es gibt eine Gruppe, die bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Kinderbetreuung vor einer unverhältnismäßig großen Herausforderung steht: Frauen mit Kindern in den USA. Sie haben ein niedrigeres Gesamtergebnis (+7,4) im Vergleich sowohl zu US-amerikanischen Männern mit Kindern (+14,3) als auch zu Frauen mit Kindern außerhalb der USA (+12,3). Diese Unterschiede sind besonders ausgeprägt in folgenden Bereichen:

  • Work-Life-Balance: Mütter außerhalb der USA (+20,4) erzielen 60 % mehr Punkte als US-amerikanische Mütter (+12,8).
  • Produktivität: Mütter außerhalb der USA (+12,0) schneiden fast doppelt so gut ab wie US-amerikanische Mütter (+6,6).
  • Zufriedenheit mit der Arbeitsorganisation: Mütter außerhalb der USA (+17,8) schneiden 95 % besser ab als US-amerikanische Mütter (+9,1).

Die Erkenntnisse weisen eindeutig auf das Fehlen eines starken sozialen Netzwerks hin, darunter die öffentlich finanzierte Kinderbetreuung, von der US-Amerikanerinnen mit Kindern unverhältnismäßig stark betroffen sind. Es ist unwahrscheinlich, dass die Regierung entschlossene Maßnahmen ergreifen wird, um diesem Bedarf gerecht zu werden. Somit liegt es an den Unternehmen, sich zu engagieren und diese Lücke zu füllen. Wenn sie das nicht tun, verlieren sie möglicherweise zahlreiche Top-Talente.

Mythos Nr. 4: Remote-Work ist für unterrepräsentierte Gruppen schlechter

Realität: Eines der überraschendsten Ergebnisse ist, dass in den USA historisch unterrepräsentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter höhere Gesamtindexwerte haben als ihre weißen Kolleginnen und Kollegen: Afroamerikanerinnen und -amerikaner (+10,1), Asiatinnen und Asiaten (+16,6), Hispanoamerikanerinnen und -amerikaner (+10,5), Weiße (+8,9). Und der deutlichste Unterschied zeigt sich in dem nach wie vor problematischsten Faktor von Remote-Work, dem Zugehörigkeitsgefühl: Afroamerikanerinnen und -amerikaner (+8,4), Asiatinnen und Asiaten (+7,6), Hispanoamerikanerinnen und -amerikaner (+5,2), Weiße (-1,3).

Diese Daten erfordern eine genauere Untersuchung und Auswertung. Es ist unklar, welche Kombination von Faktoren diesen Unterschied verursacht: Warum trägt Remote-Work zur Angleichung der Arbeitserfahrung bei? Haben sich weiße Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Arbeitsplätzen mit mehrheitlich weißen Kolleginnen und Kollegen schon immer mehr als Gemeinschaft gefühlt? Haben Angehörige von Minderheiten ein besseres Gemeinschaftsgefühl, weil sie zu Hause sind? Die Normen des digitalen Arbeitsplatzes müssen erst noch festgelegt werden. Wir haben die Chance, neu anzufangen, den über Jahrhunderte aufgebauten Ballast abzuwerfen und Projekt-Teams zu bilden, die wirklich repräsentativ für unsere Gesellschaft sind.

Es gibt nach wie vor erhebliche Probleme: Systemische Ungleichheiten sind weiterhin sichtbar. In den USA beispielsweise stimmen 65 % der weißen Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter der Aussage „Mein Chef oder meine Chefin hilft, wenn ich Hilfe brauche“ zu, im Vergleich zu nur 46 % der schwarzen Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter. Es wird Zeit und bewusste Anstrengungen erfordern, um das zu beheben, aber das Potential von Remote-Work, eine starke ausgleichende Kraft zu sein, ist eindeutig und unmissverständlich.

Mythos Nr. 5: Führungskräften fällt es leichter, sich an Remote-Work anzupassen

Realität: Führungskräfte, insbesondere im mittleren Management, stehen bei der Umstellung auf Remote-Work vor einigen der größten Herausforderungen . Sie haben im Vergleich zu einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (+15,2) sogar einen niedrigeren Gesamtindexwert (+10,5). Führungskräfte stehen vor besonderen Herausforderungen, wenn es um Folgendes geht:

  • Zugehörigkeitsgefühl: Führungskräfte (-7,0) im Vergleich zu einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (-0,6)
  • Produktivität: Führungskräfte (-9,4) im Vergleich zu einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (+14,8)
  • Umgang mit arbeitsbedingtem Stress und Ängsten: Führungskräfte (+12,8) im Vergleich zu einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (+17,7)

Im Umfeld von Remote-Work hat sich die Rolle von Führungskräften von der verantwortlichen Instanz zum Coach bzw. zur Coachin und zum sozialen Bindeglied gewandelt. Soziale Bindungen lassen sich an einem digitalen Arbeitsplatz schwieriger aufbauen und aufrechterhalten. Hinzu kommt die Tatsache, dass Führungskräfte des mittleren Managements bereits vor einigen Herausforderungen gestanden haben, da der Wechsel in die Führungsposition harte Arbeit ist und völlig neue Fähigkeiten erfordert. Unternehmen müssen Zeit und Ressourcen dafür aufwenden, den Führungskräften neue Tools an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Projekt-Teams coachen und zu ihnen Beziehungen aufbauen können.

Nächste Schritte

Bürozentrierte Modelle, an die wir seit langem gewöhnt sind, werden bei Remote-Work nicht funktionieren. Diese Pandemie bietet Unternehmen die einmalige Chance, ihre Arbeitsweise neu zu gestalten, die besten Aspekte der Bürokultur beizubehalten und sich gleichzeitig von schlechten Gewohnheiten und ineffizienten Prozessen zu befreien.

Der Remote Employee Experience Index soll Unternehmen sowie Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeitern bei der Orientierung helfen. Wir befinden uns noch in einem frühen Stadium dieses Experiments, weshalb wir noch lange keine endgültigen Antworten haben. Aber wir fangen jetzt an, die Daten und Erkenntnisse zu sammeln, mit denen Menschen in der neuen Arbeitswelt erfolgreich sein können.

Zukünftig wird das Future Forum den Remote Employee Experience Index vierteljährlich veröffentlichen. Wir werden die Erkenntnisse fortlaufend erweitern und die Unterschiede zwischen Ländern und Arbeitsbereichen miteinbeziehen. Im Laufe der Zeit werden sich Trends und Muster abzeichnen, die zeigen, wie Unternehmen eine neue Unternehmenskultur aufbauen, neue Tools einsetzen und neue Wege finden können, um erfolgreich zu sein. Diese Ära der Arbeit ist beängstigend und zugleich voller aufregender, neuer Möglichkeiten, und wir sind stolz darauf, während dieses Umbruchs mit Führungspersönlichkeiten zusammenzuarbeiten.

Der Remote Employee Experience Index basiert auf den Daten einer Befragung von 9.032 Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeitern, die in den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan und Australien als „Bürofachkräfte“ eingestuft werden. Er analysiert die wichtigsten Merkmale der Arbeitserfahrung von 4.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hauptsächlich im Home-Office arbeiten. Die Umfrage wurde zwischen dem 30. Juni und dem 11. August 2020 über GlobalWebIndex, einen Drittanbieter von Online-Panels, im Auftrag von Slack durchgeführt. Die Ergebnisse wurden nach Sektor und Bevölkerung gewichtet.

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