Die Skalierung eines Unternehmens ist keine einfache Aufgabe. Ob es nun um die Einstellung weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht oder um steigende Fixkosten — in schnell wachsenden Unternehmen kommt es oft zu Spannungen zwischen Führungskräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Langzeitmitarbeiterinnen und -mitarbeiter werden vielleicht nervös, wenn sie die Konzepte „Vergrößerung“ und „rapides Wachstum“ hören, da dies bedeuten könnte, dass sie ihren Arbeitsbereich wechseln müssen und neue Prozesse und Tools eingeführt werden.
Molly Graham kennt das nur zu gut. Als frühere Head of Operations der Chan Zuckerberg Initiative und alter Hase bei Facebook, Google und Quip kennt sie sich mit Wachstum und Veränderung gut aus. Sie hat Projekt-Teams, die teilweise nur aus einer Handvoll von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestanden, zu Abteilungen mit hunderten und sogar tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vergrößert. Über Jahre hat sie dabei gelernt, wie schnelles Wachstum nicht nur die Nerven, sondern auch zwischenmenschliche Beziehungen strapazieren kann, die letztendlich zum Erfolg aber zum Scheitern eines Unternehmens führen können.
Graham hat 2017 einen Vortrag darüber gehalten, wie die Skalierung eines Unternehmens oft davon abhängt, wie effektiv der Wachstum der zwischenmenschlichen Beziehungen im Unternehmen gefördert wird. Hier sind einige ihrer hilfreichsten Strategien, Tools und Tipps, wie man bei der Skalierung die menschliche Komponente nicht aus den Augen verliert.
1. Ermutige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre „Legos“ abzugeben
Graham weist darauf hin, wie in einem Unternehmen, das sich in den ersten Phasen der Entwicklung befindet, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viele verschiedene Aufgaben erfüllen müssen. Im weiteren Wachstumsverlauf des Unternehmens werden diese Aufgaben dann gewöhnlich von neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommen. Diese Vergrößerung kann sehr aufregend sein, da sich viele neue Chancen ergeben, aber dennoch können sich manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überfordert fühlen und Schwierigkeiten bei der Anpassung haben.
Deshalb rät Graham dazu, in diesem Prozess die gebauten „Legos“ an andere abzugeben. Sie macht sich die Metapher einer Lego-Konstruktion in Originalgröße zu eigen, um zu erklären, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Wissen anhäufen, wenn sie ein Produkt oder einen Service mit anderen aufbauen. In der Vergangenheit hat sie oft beobachtet, wie sich anfangs alle bewusst sind, dass es unmöglich ist, die gesamte Arbeit allein zu schaffen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sogar erleichtert, wenn sie Hilfe bekommen.
„Und dann passiert etwas Interessantes“, sagt Graham. „Man wird nervös, ist frustriert und wird besitzergreifend bezüglich der eigenen Arbeitsaufgaben.“
Das ist eine ganz natürliche, menschliche Reaktion, die allerdings den Fortschritt behindert. Entscheidend ist es, nicht zu sehr an bestimmten Aufgaben zu hängen und Spaß dabei zu haben, die neuen Lego-Konstruktionen kennenzulernen, an denen man arbeiten wird.
„Mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen bedeutet nicht zwangsläufig weniger Arbeit für einen selbst. Dafür kann das Unternehmen aber mehr schaffen.”
2. Fördere die Einführung neuer Tools und Prozesse, indem du psychologische Sicherheit etablierst
Psychologische Sicherheit bezeichnet ein Gemeinschaftsgefühl, das Offenheit und Ehrlichkeit in der Gruppe fördert. Es ist in einem wachsenden Unternehmen, in dem sich Rollen schnell verändern, wenn immer neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinzukommen, entscheidend.
„Viele der Gespräche, die ich mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Projekt-Team geführt habe, haben damit begonnen, dass die Einstellung einer Person in Frage gestellt worden ist“, sagt Graham. „In Wirklichkeit wollte der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin aber Folgendes zum Ausdruck bringen: Ich mache mir Sorgen, dass ich für das Unternehmen nicht mehr wichtig bin. Ich fühle mich unsicher, hilf mir bitte.“
Ein wachsendes Unternehmen muss außerdem neue Technologien und Workflows einführen, die die Vergrößerung unterstützen. Eventuell ist sogar eine unternehmensweite digitale Transformation angebracht, eine Überarbeitung der Art wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammenarbeiten zusätzlich zur Technologie, die bei der Arbeit eingesetzt wird.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können auf sich verändernde Prozesse skeptisch reagieren oder diese sogar ablehnen, was die Effizienz ihres gesamten ProjektTeams einschränkt. Setze beim Change Management auf Empathie und Transparenz, um diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Skalierung des Unternehmens zu unterstützen. Sage offen, bei welchen Prozessen du Schwierigkeiten bei der Umsetzung hast, schaffe eine urteilsfreie Umgebung s, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Bedenken frei äußern können, und nimm dir regelmäßig Zeit für ein Stimmungsbild.
„Bei der digitalen Transformation geht es mehr um einen kulturellen Wandel als um eine unternehmensweite Mitteilung“, sagt Christina Kosmowski, Vice President und Global Head of Customer Success and Services bei Slack. „Eine Top-Down-Mentalität (nach dem Motto: weil ich es so möchte) ist bei der Einführung neuer Tools und neuer Arbeitsweisen nicht hilfreich. Aber wenn Führungskräfte in Bezug auf die Change Management-Prozesse empathisch vorgehen und Feedback aus dem gesamten Unternehmen einholen, kann sich diese Transformation tatsächlich etablieren.“
Graham hält mit einzelnen Team-Mitgliedern sogenannte „Empathie-Sitzungen“ ab, wenn sie eine gewisse Feindseligkeit bemerkt. So versucht sie herauszufinden, wieso sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestresst fühlen, bemüht sich darum, ihnen zu versichern, dass sie für das Unternehmen wichtig sind, und zeigt ihnen, wie ein digitaler Arbeitsplatz auf lange Sicht auch für sie Vorteile bringen wird.
„Ich setze mich mit [diesen Team-Mitgliedern] zusammen und sage ihnen: ‚Du bist extrem wichtig für das Unternehmen.‘“, sagt Graham. „‚Alles wird gut. Du wirst dich noch die nächsten drei Wochen so fühlen, und dann wird es dir [letztlich] besser gehen.‘“ Und das, so fügt sie hinzu, gehört alles zum Prozess.
3. Stärke das Vertrauen in Führungskräfte durch das Einholen von Feedback und den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen
Unzählige Studien haben bewiesen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Vertrauen in die Führungskräfte besteht. Ebenfalls wichtig ist das Einholen und die Verwertung von Feedback. Bei der Skalierung eines Unternehmens kann es entscheidend für den Erfolg sein, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen, dass die Führungskräfte bereit sind, in ihrem Interesse zu handeln und dies auch noch tun, wenn das Unternehmen wächst.
„Tatsache ist, dass zwischenmenschliche Beziehungen zu den wichtigsten Komponenten in einem Unternehmen gehören und sich ständig im Wandel befinden“, sagt Graham. „Man muss sich die Zeit nehmen, seine Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen, auch diejenigen, die aktuell nichts mit den eigenen Aufgaben zu tun haben, und unbedingt auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die derzeit keine Entscheidungsgewalt in der aktuellen Machtstruktur haben.“
Wenn du also negatives Feedback von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhältst, die sich ernsthaft gegen neue Tools und Workflows sträuben, solltest du Folgendes in Betracht ziehen, um das Mitarbeiter-Engagement aufrechtzuerhalten:
- Frage dich, ob diese neuen Prozesse gut zu der Art passen, wie deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammenarbeiten.
- Eventuell muss man seinen Einführungsplan für bestimmte Tools ein wenig drosseln.
- Wenn die ausgewählten und entwickelten Workflows nicht die Anforderungen deiner wachsenden Projekt-Teams erfüllen, sollten sie ihren Ansatz überdenken.
„Der Ausbau und die Skalierung von Unternehmen ist wirklich schwierig und immer voller Überraschungen“, sagt Graham. „Unsicherheit gehört dazu. Die Herausforderung ist, sich nicht von Emotionen und Stolz leiten zu lassen. Das ist Teil des Prozesses.“
4. Unterstütze Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Aufbau der richtigen Mentalität für Veränderungen
So wichtig gute Führungsqualitäten für die erfolgreiche Skalierung eines Unternehmens sind, diese können nur dann zu Tage treten, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Strategien zur Hand haben, effektiv arbeiten und wachsen zu können. Hilf deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so gut es geht dabei, die von Graham empfohlene Mentalität anzunehmen:
- Vergiss den Job-Titel: Bemühe dich stattdessen, die nützlichste Person im Raum zu sein. So bleibst du deinen Kolleginnen und Kollegen als jemand in Erinnerung, der Probleme löst und sie binden dich immer ein.
- Stelle einfache Fragen: „Man kann eine Menge lernen, wenn man keine Angst davor hat, sich in einem Meeting auch mal die Blöße zu geben,“ sagt Graham. Deine Kolleginnen und Kollegen haben sich bestimmt das gleiche gefragt, hatten aber Angst, zu fragen.
- Hilf allen in jeder Position Alle können einen bedeutsamen Beitrag leisten und man kann nie wissen, auf wessen Hilfe oder Unterstützung man vielleicht mal angewiesen sein wird.