Die Medienbranche war eine der ersten Wirtschaftsbereiche, die sich sehr früh den Herausforderungen der Digitalisierung stellen musste. Als eines der ersten großen Medienhäuser in Deutschland hat die Holtzbrinck Publishing Group dies schon vor über 20 Jahren erkannt. Allein deshalb sind die Stuttgarter echte Pioniere des Wandels.
Das Stuttgarter Medienhaus steht hinter bekannten Zeitungsmarken wie “Die Zeit”, Verlagen wie Rowohlt oder Droemer Knaur oder auch der Springer Nature Groupe. Schon früh hat Holtzbrinck nicht mehr nur in gedruckte Produkte investiert, sondern auch in neue digitale Geschäftsmodelle und Technologien. Ein strategischer Schritt, der sich seit Jahren auszahlt, aber sich gerade in der Pandemie als echter Vorteil herausstellte. So war es dem Unternehmen beispielsweise möglich, schnell auf die neuen Herausforderungen wie Home-Office oder neue, digitale Kundenbedürfnisse zu reagieren.
In unserer Webinar-Reihe Pioniere des Wandels hat Frank Thelen mit Harald Greiner, Vice President IT, Technology & Sourcing der Holtzbrinck Group, über seine digitale Transformation gesprochen.
„Man muss sich manchmal selber kannibalisieren“
The New Normal: Wie sich die Medienbranche durch die Digitalisierung neu erfindet
Wie alle Verlage und Zeitungshäuser stand auch Holtzbrinck in den Nullerjahren vor der Herausforderung, sich als Medienkonzern im digitalen Zeitalter behaupten zu müssen – und das gleich auf mehreren Ebenen.
Für die Stuttgarter Publishing Group sind vor allem zwei Aspekte der Digitalisierung relevant. Zum einen verändert sie die klassischen Geschäftsmodelle und zum anderen hilft sie, auch die traditionellen Produkte mit Datenjournalismus, Big Data oder auch Machine Learning zu verbessern. “Wir sind zu einem Tech-Konzern geworden”, sagt Harald Greiner. Einige Bereiche des Konzerns arbeiten mittlerweile komplett digital, während andere datengetrieben sind und wiederum eine dritte Gruppe, darunter auch die Buchsparte, vor allem durch Technologie unterstützt wird.
Und ausgerechnet während des ohnehin herausfordernden Medienwandels kam die Corona-Pandemie.
Das Medienhaus stand nun vor der Frage: „Wie bekommen wir ganz schnell alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuhause ans Arbeiten”, erinnert sich Harald Greiner. „Wir hatten das Glück, dass die meisten schon sehr lange in der Cloud unterwegs waren – schließlich hatten wir 2015 weltweit bereits weitestgehend die Google-Cloud eingeführt”. Damit existierte also bereits die Grundlage dafür, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von überall her auf die wichtigsten Systeme zugreifen konnten.
„Die große Frage war aber dann: Was bedeutet das für unser Geschäft und für unsere Kunden? Wie gehen wir mit der Frage um, dass unsere Leute von zuhause aus nicht nur ihrem Job nachgehen, sondern sich auch um das Homeschooling kümmern müssen? Das war für viele auch eine riesige Belastung”, sagt Harald Greiner.
„Die Krise hat Unternehmen dazu gebracht, sich noch mehr um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und vor allem auch um ihre privaten Belange zu kümmern. Wir haben einige Aktionen gestartet, bei denen ältere Kinder von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jüngeren virtuell vorgelesen haben. Das war für alle Seiten ein voller Erfolg.“
Der erfolgreiche Wechsel zum flexiblen und hybriden Arbeiten
Der Corona-bedingte Hochgeschwindigkeitswandel zu einem effektiven und ortsunabhängigen Arbeiten, erforderte erst einmal die Bereitschaft der Führungsebene, mit dem Übergang ins Home-Office ein Vielfaches an Kontrolle abzugeben: „Natürlich gibt es immer noch Personen aus dem C-Level, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lieber im Raum neben sich haben. Doch dieser forcierte, groß angelegte Feldversuch hat gezeigt: Es funktioniert auch so sehr gut“. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen das flexible, hybride Arbeiten inzwischen sehr zu schätzen und wollen es nicht mehr missen. Dank Slack funktionieren die Abläufe reibungslos.
Denn das zweite Erfordernis für den Highspeed-Wandel sind der Einsatz und die Nutzung der richtigen Tools, mit denen man überhaupt asynchron und themenbezogen arbeiten kann – genau dies kann Slack leisten.
Wie Zeit Online den Produktionsprozess mit Slack organisiert
Zeit Online setzt bei der Organisation des Produktionsbetriebs seit Jahren auf Slack. Anstelle der Redaktionstreffen im Büro und der Abstimmung per E-Mail nutzt die Redaktion des Nachrichten-Portals jetzt zum Beispiel Channels und Video-Calls, zwei Funktionen, die in der Slack-Plattform integriert sind, um Themen miteinander abzusprechen und Termine zu koordinieren. Seit März 2020 arbeitet das rund 200-Personen-starke Redaktionsteam nämlich fast ausschließlich aus dem Home-Office heraus. „Das hat technisch wunderbar geklappt”, erklärt der Vice President IT.
In Slack koordinieren die Redakteurinnen und Redakteure so unter anderem die Website, den Corona-Live-Blog sowie Medizin-Recherchen und Datenvisualisierungen – egal, von wo sie gerade arbeiten. Außerdem steuern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die aktuellen Video-, Podcast- und Fotoproduktionen, Reportagen, FAQs, Flyer und Leitfäden zum größten Teil aus dem Home-Office. Die vielen hilfsbereiten Print-Kolleginnen und -Kollegen, die der stark beanspruchten Online-Redaktion während der ersten Lockdown-Phasen unter die Arme griffen, konnten sehr leicht und schnell in deren digitalen Alltag integriert werden. Seitdem arbeiten sie aus der Ferne mit.
Für die Kolleginnen und Kollegen, denen die Unterhaltungen an der Kaffeemaschine oder über die Schreibtische hinweg fehlten, richteten die Verantwortlichen ferner extra den Kanal #homeoffice ein. Wie Chefredakteur Jochen Wegner gegenüber dem Branchendienst Kress verriet, durfte dort überwiegend „hochwertiger Unsinn” diskutiert werden.
Die Leserinnen und Leser scheinen während der internen Umorganisation in der Redaktion keinen Qualitätsverlust festgestellt zu haben. Im Gegenteil: die Reichweite von Zeit Online hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren sogar auf fast sieben Millionen Besuche erhöht.
Aber auch über die gesamte Holtzbrinck Publishing Gruppe hinweg nutzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Pandemie Slack kreativ, um etwas für die Gemeinschaft zu tun. So lasen beispielsweise die älteren Kinder einiger Angestellten den jüngeren einfach mal was vor.
Kundenorientierung in Zeiten der Pandemie
Die Pandemie hat natürlich nicht nur die Redaktion dazu gezwungen, flexible und digitale Lösungen zu finden. Auch viele weitere Bereiche des Unternehmens, wie beispielsweise das Buch-Geschäft mussten einiges umstellen – immerhin war der Buchhandel gleich während mehrerer Lockdowns zwangsgeschlossen, was allein in Sachen Kundenorientierung eine echte Herausforderung war. Selbst Amazon räumte im März 2020 seine Buchlager leer, um stattdessen Desinfektionsmittel zu horten. „Der E-Commerce-Riese forderte damals seine Kundinnen und Kunden auf, Bücher lieber als E-Book und nicht als gedruckte Fassung zu bestellen und wies darauf hin, dass die Lieferung von Printversionen wesentlich länger dauern würde”, erinnert sich Harald Greiner. Insgesamt waren – auch für Holtzbrinck – neue Wege nötig, um mit den Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten und ihre Wünsche zu erfüllen. „Zur Anfangszeit der Corona-Pandemie haben wir deshalb damit begonnen, die Logistik der Top 50 Bücher selbst zu organisieren, bis Amazon diesen Bereich wieder aufbaute.”
Die Lösung des Problems mit den Kundinnen und Kunden wieder in Kontakt treten zu können, waren digitale Events, darunter Formate wie Book-Tok in den USA oder auch Tik-Tok, auf denen die Verlage der Holtzbrinck Publishing Group seitdem aktiv sind. In den USA veranstaltete beispielsweise die Science-Fiction Einheit Tor.com, eine Sub-Division von Macmillan Publishers, einen Digital Science-Fiction Event mit mehr als 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Beispiele zeigen, dass der Medienkonzern auch bei der Kundenorientierung viel Flexibilität und Innovationskraft bewies – auch das zeichnet einen Pionier des Wandels aus.
Neue Digitale Produkte und Geschäftsmodelle
Seit über 20 Jahren investiert die Holtzbrinck Publishing Group bereits in Start-ups und neue Ideen. So ist es wenig verwunderlich, dass die Gruppe auch bei ihren Produkten so digital wie nur möglich denkt. In den USA ist es beispielsweise im Bereich der universitären Bildung mittlerweile so, dass die Studenten immer weniger gedruckte Bücher in die Hand nehmen möchten. Stattdessen bevorzugen sie E-Learning Plattformen.
„Gerade hier entstehen kontinuierlich neue digitale Produkte und Geschäftsmodelle”, so Greiner. Er nennt als passendes Beispiel Open Access im Bereich der Science Education. Dieses Konzept beinhaltet, dass nicht mehr die Leserinnen und Leser, sondern der Publisher den Content bezahlt. Greiner ist der Meinung: „Digitale Produkte sind resilient.“ Tatsächlich handele es sich dabei um eine “Umkehrung des Geschäftsmodells”.
Quick Wins für den Wandel: Was wir von den Pionieren des Wandels lernen können
Die verschiedenen Unternehmensteile der Holtzbrinck Publishing Group haben schon seit langem in technologische Lösungen investiert und die Vorteile von Slack und Google erkannt und genutzt. So konnten sie einheitlich und schnell reagieren, als die Pandemie losging. Das hat sich in vielfacher Hinsicht für alle Bereiche ausgezahlt. Was können wir von diesem Pionier des Wandels lernen?
- Die unternehmerische Zukunft lässt sich nur bedingt planen. Dennoch sollte man vorbereitet sein. Es gilt also: Unternehmen sollten in Bits & Brains investieren – und nicht in Gebäude. Die vergangenen Monate haben gezeigt: Die Zusammenarbeit funktioniert auch dezentral und im Home-Office – und das vielleicht noch besser und effizienter als zuvor.
- Netzwerke und ihr kontinuierlicher Auf- und Ausbau sind wichtig. Coaching und Mentoring Programme holen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab und integrieren sie einfach und mit Hilfe von Tools wie Slack in bestehende Projekt-Teams.
- Unternehmen sollten nicht damit aufhören, sich die Frage zu stellen: Warum sind wir in zehn Jahren noch relevant? Nur wenn sie dies tun und sich dabei immer wieder kritisch hinterfragen, bleiben sie langfristig erfolgreich.